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Interview mit Domenica Meier

Liebe Interessierte der Fachstelle für Krisen- und Trauerbegleitung Ost.

Ich freue mich sehr, Euch ein weiteres Vorstandsmitglied vorzustellen. Dieses Mal wird mir Domenica Meier einige Fragen zu ihrer Tätigkeit und Person beantworten. Sie ist als psychosoziale Beraterin in ihrer eigenen Praxis in Chur tätig, doziert und leitet Vorträge in diversen Institutionen zum Thema „Trauer“. Ich möchte Euch mit diesem Interview einen kleinen Einblick in ihr vielseitiges und bereits lang andauerndes Engagement geben.

Stefanie Pleisch


Foto: Domenica Meier

Liebe Domenica


Was waren deine Beweggründe den Verein FKT-Ost mitzugründen und aufzubauen?

Als sich Irene Ardüser sich bei mir meldete und ihren Gedankengang erzählte, fand ich dies eine echt tolle Idee.

Eine Idee, sich in diesem Thema zusammenzuschliessen und dies nach aussen zu tragen, dass Menschen, die einen Verlust erlitten haben, diese Gefühlswelt nicht allein durchstehen müssen.

Trauerbegleitung war vor einigen Jahren, für Hinterbliebene kein Thema.

Heute sind die Menschen eher bereit, sich Hilfe zu holen, wenn sie in dieser Situation sind.

Nach der Beerdigung kommt die Trauer. Viele Menschen stehen diesen Gefühlen machtlos gegenüber und wissen nicht, wohin sie mit dieser Trauer sollen. Genau in diesem Moment ist es wichtig, einfach, schnell und unkompliziert professionelle Hilfe zu finden.

Beim Verein FKT-Ost laufen die Fäden für Krisen – und Trauerarbeit zusammen. Trauernde können hier Hilfe in Anspruch nehmen.

Zusammen können wir mehr bewegen, als einer allein.




Du bietest einen eigenen Lehrgang zur Trauerbegleitung an. An welche Personen richtet sich dieses Angebot?

Mein Ursprungsgedanke war, Coach, Berater und Therapeuten eine Möglichkeit zu geben, sich näher mit dem Thema Verlust und Trauer auseinander zusetzten. Diese Thematik hat in vielen Aus- und Weiterbildungen sehr wenig Platz.

Inzwischen ist es so, dass es nicht mehr eine bestimmte Zielgruppe anspricht,

denn Trauer hat keine Zielgruppe, sie trifft uns alle einmal im Leben. Somit sind alle die interessiert sind herzlich eingeladen zu diesem Seminar.

Die Beweggründe dieses Seminar, oder einzelne Tage aus diesem Seminar zu besuchen, sind vielfältig. Sie können über eigenes Interesse an diesem Thema, bis hin zur Trauerbegleitung gehen.


Neben dem Lehrgang dozierst du an diversen Orten und führst Schulungen durch. Kannst du uns einen Überblick geben?

Durch Corona hat sich das Thema Tod, Trauer und Verlust an Brisanz gewonnen.

Ein örtlicher Überblick kann ich gerne geben. Obwohl diese Orte öfter mal

wechseln. Im Moment ist es so, dass ich diesen Lehrgang über Trauer in Chur in meiner Praxis anbiete. Hier sind es in der Regel Kleingruppe von 2 bis 8 Personen.

Grössere Teilnehmerzahlen bis ca. 14 Personen unterrichte ich in Basel, Aargau, Schaan und Zürich.

Die Lehrgänge dauern 8 Tage, über 8 bis12 Monate verteilt.

Gelegentlich öffnen sich Firmen, diesem Thema und buchen mich, um die Trauerkultur bei der Arbeit näherzubringen.

Vorträge, wie in Frauenvereinen, Spitex oder ähnlichen Institutionen sind öfter mal auf dem Programm

Ein thematischer Überblick ist, dass ich sehr viele Kapitel streife.

· Was ist Trauer und was nicht

· Trauer, Kinder und Familien

· Kommunikation in der Trauer

· Trauma und Sexualität in der Trauer

· Rituale, Religionen und Kulturen in der Trauer

· Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ableben.


Die Themen werden jeweils, nach den Bedürfnissen, der Veranstalter angepasst.

Neben der Trauerarbeit unterrichte ich noch in der systemischen Aufstellungsarbeit, die sehr viel in meinen Trauerbegleitungen einfliessen und ein fester Bestandteil meiner Arbeit ist.

Trauernde träumen sehr viel, daraus ist ein Tagesseminar über Träume entstanden.

Und dann ist da noch mein Hobby: Numerologie.


Immer mehr Institutionen sehen die Wichtigkeit der psychosozialen Unterstützung ihrer Mitarbeiter z.B. nach Verlust eines Mitarbeiters. Du führst auch solche Begleitungen durch, wie gestaltet sich ein solches Treffen?

Ja, dieses Thema ist sehr von Wichtigkeit. Die meisten grösseren Firmen haben ein Care-Team. In der Regel sind diese ausgezeichnet aufgestellt.

Den Themen Suizid, Ableben eines Mitarbeiters oder auch Scheidung / Krankheit (was ebenso Verlustthemen sind) sind jedoch viele Kaderleiter oder Mitarbeiter hilflos gegenüber.

Es ist wichtig, die Mitarbeiter in ihren Gefühlen, in ihrer «Handlungsunfähigkeit» abzuholen. Sei es in einer Gruppensitzung oder im Einzelsetting. Ihnen Werkzeuge in die Hand zu geben, damit sie etwas «Tun» können. So, dass ihre Trauer, ihre Fassungslosigkeit einen Platz in der Gruppe und bei jedem Einzelnen bekommt.

Doch auch den Trauernden darauf vorzubereiten, wie sich die Kollegen, beim Zurückkehren an die Arbeit verhalten könnten.

Wie er sich selbst verhalten möchte, kann oder soll.

Idealerweise wäre beide Seiten begleiten zu können. Somit könnten viele Bedürfnisse gestillt werden.

Langsam merkt die Arbeitswelt, dass dieses Thema immer wichtiger wird.

Denn Firmen können, mit professioneller Hilfe, Mitarbeiter behalten und damit finanziell entgegenwirken. Denn neue Mitarbeiter einzuschulen, kosten immer Geld.


Das Thema «Trauer» begleitet dich in deinem beruflichen Werdegang bereits viele Jahre. Hast du eine Veränderung in der Gesellschaft resp. bei deiner Kundschaft bezüglich dieses Themas und dem Umgang damit festgestellt?

Ja und Nein. Das Thema hat sich nicht verändert, jedoch die gesellschaftliche Einstellung zu diesem Thema. Ich nehme zwei Richtungen wahr. Einmal hat das Thema Tod einen Platz in der Umgangssprache erhalten. Das heisst: Es wird darüber geredet und es finden bereits verschiedenen Aktivitäten, wie z.B. Ausstellungen, Messen etc. statt. Ebenso haben sich die Abschiedszeremonien verändert. Der Abschied wird frei gestaltet und bekommt daher ein neues Gesicht.

Die andere Seite ist der Umgang mit Trauernden in der Gesellschaft. Hierfür wird weniger Verständnis aufgebracht. Der Trauernde sollte in kürzester Zeit wieder normal funktionieren, den Alltag bewältigen wie je zuvor. Dabei ist nichts mehr wie zuvor. Alles verändert sich. Auf der Arbeit, jedoch auch in der Gesellschaft wird erwartet, dass den alltäglichen Pflichten, so schnell wie möglich gerecht zu werden. Die Aufklärung, was Trauer ist und was sie sich alles dahinter verbirgt, tut dringend Not. Die Trauer benötigt ihre Zeit und ihren Raum.

Wo eine grosse Veränderung stattgefunden hat: Die Menschen, die trauern, sind bereit, sich Hilfe zu holen.

Veränderung ist auch der religiöse Hintergrund. Trauernde sind nicht mehr, per se «nur» christlich unterwegs. Das heisst katholisch oder reformiert. Spiritualität wir offener gelebt. Das Thema Trauer bekommt einen ganz anderen Hintergrund.


Siehst du Möglichkeiten oder Anknüpfpunkte wie die Tabuisierung der Trauer und des Todes angegangen werden kann?

Einige wichtige Schritte sind bereits unternommen worden und im Gange. Es wird darüber geredet, Messen und Ausstellungen bringen das Thema Tod den Menschen etwas näher.

Aufklärung, dass die Trauer eine (unter Umständen akute) Ausnahmesituation ist und keine Krankheit. Was Trauer alles beinhaltet und auslösen kann.

Weitere Schritte sehe ich in den Kindern. Eltern, die ihre Kinder in das Thema einzubeziehen, können freier, auch in Zukunft, mit Tod und Sterben umgehen.

Die Schulen könnten einen weiteren Beitrag dazu leisten. Indem das Thema fachgerecht in den Schulstoff einbeziehen sollte.

In den Erwachsenenbildungen und Hochschulen bekommt das Thema viel zu wenig Beachtung. Akademische Auseinandersetzungen und Ansichten in den Studienplätzen zu diesem Thema ist bestimmt ein optimaler Ansatz. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Hinterbliebene Verständnis und Einfühlungsvermögen benötigen.

Überall begegnen wir dem Thema Tod und Trauer. In den Fernsehfilmen, Büchern, Literatur-. Wir sehen und lesen. Doch wie entwickelt sich das Bewusstsein für jeden einzelnen dazu? Wie viel Auseinandersetzung möchten wir selbst JETZT mit den Themen Sterben, Tod und Trauer bieten?

Sterben, Tod und Trauer gehören zum Leben.


Das ist doch ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für Deine Antworten.


Liebe Stefanie, ganz herzlichen Dank für das Interview.

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